I.2. Digitale und analoge Begleittexte schreiben§ 

Ausstellungstexte schreiben: inhaltliche Kriterien und Metadaten§ 

Wie Pressemitteilungen sind Texte in der Ausstellung (hier zusammengefasst als “Ausstellungstexte” bezeichnet; dazu gehören zahlreiche Textsorten), in Katalogen, in Audioguides, auf Webseiten und in Ihren digitalen Angeboten andere Textsorten als wissenschaftliche Publikationen: Das liegt an den vielfältigen Zielgruppen und deren Situationen, in denen sie die Texte konsumieren. Manchmal sind Objekte analog oder virtuell direkt von den Betrachtenden wie bei Raum- und Taschentexten in der Ausstellung (analog oder online), manchmal nicht - insbesondere bei Katalogen oder Audioguides zum Nachhören.

Es geht prinzipiell ums Sehen - Verstehen - Vermitteln.

Was erwarten die Gäste, was kann in den Texten angesprochen werden?

Zentral: Kontexte - gewissermaßen die “Metadaten”:

  • WAS ist das Objekt? Was stellt es dar? - Bezeichnung, Titel
  • WIE ist das Objekt? - Beschreibung
  • WARUM ist das Objekt? - Funktion
  • WO ist das Objekt? - Fundort/Herkunft, Erwerb, Provenienz
  • WANN ist das Objekt? - Datierung
  • Fragen an das Objekte; Recherche bei Fachleuten, Literaturrecherche - Weiteres

Dazu können relevant/spannend sein:

  • Kernaussagen
  • Hintergründe
  • Unerwartetes
  • Funktionen
  • Beziehungen
  • Geschichten

Vielleicht gibt das Objekt besonders charakteristische Informationen zur:

  • Kunstgeschichte (Stil, Ikonographie etc.)
  • Lokalgeschichte
  • Religionsgeschichte
  • Volkskunde/kulturelle Anthropologie
  • Sozialgeschichte
  • Wirtschafts- und Handelsgeschichte
  • Technikgeschichte
  • Liegen vielleicht spannende restauratorisch-technologische Untersuchungen vor, oder sind solche zu veranlassen, da viel versprechende Ergebnisse zu erwarten sind?

Ausstellungstexte schreiben: Zur Gattung der Ausstellungstexte§ 

Ausstellungstexte aller müssen wissenschaftlich fundiert sein, sind streng genommen jedoch keine wissenschaftlichen Abhandlungen, keine literarischen Texte und keine Werbetexte. Es handelt sich dabei vielmehr um eine eigene Gattung, die in mehrere Textsorten eingeteilt werden kann, mit eigenen Regeln.

Ganz wichtig ist, sich klarzumachen: welche Erwartungen, Motivation, Vorwissen bringt die Konsumentenschaft mit? Orientierungsfragen lauten daher:

  • WAS sind das für Texte? Raumtexte, Texte auf der Website, Audioguidetexte, ...
  • Für WEN machen wir die Texte? Kinder, Jugendliche, Gebildete, Deutsch als Zweitsprache, ...
  • WAS interessiert den Besucher? die W-Fragen, Hintergrundinfos, spannende Stories, ...
  • WAS sind der Kontext/die Geschichte des Objektes? Provenienz, Sammlungsgeschichte
  • Sind die Texte für die Zielgruppen verständlich? kindgerecht, leichte Sprache, nachvollziehbar, ...

Literaturhinweise zum Vertiefen:

  • E. Dawid – R. Schlesinger (Hrsg.), Texte in Museen und Ausstellungen. Ein Praxisleitfaden (Bielefeld 2002).
  • A. W. Biermann (Hrsg.), Texte in Ausstellungen. Hinweise und Anregungen für verständliche Formulierungen und besucherfreundliche Gestaltung (Köln 1995).

Checkliste mit Regeln für lesbare Ausstellungstexte, Bereich Sprache:

Formulieren Sie im Aktiv, schreiben sie kurze Sätze, erklären Sie Fachbegriffe und vermeiden Sie Füllwörter - das sind im Groben die Mittel, wie Sie sicherstellen, dass Ihre Texte auch wirklich gelesen und verstanden werden.

  • kreative, fesselnde, unerwartete, auffallende Überschriften finden (ähnlich Pressemitteilungen oder Zeitungsschlagzeilen)
  • Alltagssprache von Laien verwenden, ohne Fremdwörter
  • Fachausdrücke erklären
  • passive Verbalformen vermeiden
  • „man“-Konstruktionen nach Möglichkeit vermeiden
  • alltäglicher Satzbau verwenden
  • kein Nominalstil mit Wörtern, die auf -heit/-keit/-ung/-ismus enden
  • keine Schachtelsätze
  • keine „Kleinkindsprache“ bzw. nur Stichworte
  • Verzicht auf persönliche Stilfärbung
  • Fragen gezielt einsetzen, um den Text lebendig zu machen, aber keine schulmeisterliche Didaktik
  • präzise, knappe Wortwahl, keine Tautologien
  • keine Füllwörter (eben, ja, wohl, natürlich, wahrscheinlich, wirklich, eigentlich, vielleicht, regelrecht, irgendwie, besonders, doch, ziemlich)
  • keine Füllsätze („Hier stellt sich nun eine entscheidende Frage“, „Wir kommen nun zu einem wichtigen Punkt“)
  • keine Übertreibungen („unglaublich kostbar“, „absolut überzeugend“)
  • keine umgangssprachlichen Floskeln („durchaus unüblich“, „nicht weniger wichtig“)
  • keine unpassenden Wertungen („Ihre breiten Füße, die Arme und Beine sind eher plump und klobig geformt.“)
  • nur wenige “Papierverben” (z. B. erfolgen, bestehen, befinden, erwiesen) und Hilfsverben (z. B. können, mögen, sollen, dürfen, würden, möchten) verwenden

Regeln für lesbare Ausstellungstexte, Bereich Formalia und Gliederung:

Gerade bei Raumtexten und anderen kurzen Texten in Katalogen und Taschentexten liegt die Würze in der Kürze. Profi-Texter arbeiten dabei mit recht harten Vorgaben (60-65 Anschläge pro Zeile, Flattersatz etc.). Es ist nicht immer machbar, sich daran zu halten, aber kann als Orientierungshilfe dienen.

  • kurze Zeilen: Königsdiziplin: maximal 60-65 Anschläge pro Zeile (Leerzeichen mitgerechnet)
  • jede Zeile sollte exakt einer Sinneinheit entsprechen
  • Raumtexte/kürzere Katalogtexte: stets Flattersatz, nie Blocksatz, keine Worttrennungen
  • optisch ansprechendes Schriftbild, keine zu großen Unterschiede in der Zeilenlänge
  • Raumtexte/kürzere Katalogtexte: wenige Zeilen, als Faustregel höchstens 25 Zeilen pro Text
  • Text durch Absätze sinnvoll gliedern (ca. 4-8 Zeilen pro Absatz)

Regeln für lesbare Ausstellungstexte (Argumentation und Gliederung):

Wie Sie erreichen, dass ihre Gäste “dranbleiben” beim Lesen und Hören Ihrer Texte:

  • klare Gedankenführung
  • beim Wesentlichen bleiben, aber nicht bloß Fakten aneinander reihen
  • beim Thema bleiben, nichts erklären, was nichts mit den Exponaten zu tun hat
  • bei Texten, die in der Ausstellung Anwendung finden: nichts beschreiben, was in der Ausstellung ohnehin jeder sieht
  • einfache Informationen stehen vor schwierigen, was nicht unbedingt heißt: vom Allgemeinen zum Besonderen!, denn oft ist die Besonderheit eines Objektes leichter zu verstehen (weil konkret und anschaulich), als das abstrakte Phänomen, das dahinter steckt

Vorgaben für Objekttexte

Objekttexte sind Überblickstexte zu einer Objektgattung/einem Genre oder zu einem speziellen Objekt in der Ausstellung oder im Katalog oder Taschentext.

Zu einem Objekttext gehören:

  • Metadaten/Objektdaten (Benennung, Inventarnummer, Fundort/Herkunft, Datierung, Material) - falls dies nicht noch ein Label aufgreift
  • Fließtext: mindestens eine halbe Seite, maximal 2 DIN-A4-Seiten ( 250 bis maximal 900 Wörter)

Grundregeln zur Abfassung (siehe auch “Regeln für lesbare Ausstellungstexte”):

  • Aufbau der Beschreibung: vom Allgemeinen ins Detail
  • beschreiben, als würde der Besucher (fast) keine Ahnung von den Objekten und der Thematik haben
  • sich fragen: was will der Besucher wissen (in den Besucher hineinversetzen) und was sollte er wissen? Was wollen wir vermitteln?
  • auf wissenschaftlich abgesicherten Erkenntnissen aufbauen
  • Sprache: allgemein, fachlich, korrekt und auf einem guten allgemeinen Niveau, wertneutral/objektiv
  • keine langen verschachtelten Sätze, nicht zu viele Fachausdrücke, diese ggf. erklären
  • nicht zu umgangssprachlich und locker

Feedback zu Texten§ 

Folgende Orientierungsfragen können hilfreich sein zu hinterfragen, ob die Texte für die jeweiligen Zielgruppen und Kontexte “funktionieren”. Am besten probiert man dies zusammen mit Kolleg/innen und gibt sich so gegenseitig konstruktives Feedback.

Die inhaltliche Ebene:

  • An welchen Stellen sind Aussagen undeutlich oder unklar?
  • Wo fehlt etwas? Wo muss ergänzt werden?
  • Was ist widersprüchlich?
  • Wo wiederholt es sich, was ist unwesentlich oder ablenkend?
  • Wo könnten Beschreibungen, Fallbeispiele oder Vergleiche den Text anschaulicher machen?
  • Werden zentrale Begriffe/Fremdwörter/Anglizismen definiert/erklärt?
  • Wird überall, wo notwendig, auf Quellen verwiesen?
  • Ist es verständlich für die Zielgruppe und dem Adressatenkreis angemessen?
  • Ist es verständlich, wenn man direkt vor dem Objekt steht/nicht direkt vor dem Objekt steht (Anwendungsfall prüfen)?
  • Stimmen Grammatik und Rechtschreibung?
  • Gibt es Wortwiederholungen, Füllwörter, Nominalstil, Abkürzungen, überlange und umständliche Wörter, “Papierverben” und Hilfsverben?

Die strukturelle Ebene:

  • Ist im Text ein roter Faden erkennbar? Könnten noch Übergänge, eine Einleitung oder Schluss hinzugefügt werden?
  • Ist die Abfolge der Aussagen/Absätze nachvollziehbar? Sollte die Abfolge geändert werden? Fehlt ein gedanklicher Schritt/eine Aussage?
  • Beziehen sich alle Textteile aufeinander?
  • Könnten weitere Absätze den Text klarer strukturieren? Ist der Text “zergliedert”?
  • Sind Zitate sinnvoll verwendet, werden eingeleitet und in den Text eingebunden?
  • Gibt es zu viele “dass”-Sätze?
  • Gibt es zu viele passive Satzkonstruktionen, die den Text schwerfällig machen?
  • Stehen Hauptsachen im Hauptsatz und Nebensachen im Nebensatz?